Sind die Kraftwerke in Jänschwalde, Boxberg und Spremberg schuldig? 647 Tote pro Jahr wegen Lausitzer Braunkohlekraftwerken?

 

Sind die Kraftwerke in Jänschwalde, Boxberg und Spremberg schuldig? 647 Tote pro Jahr wegen Lausitzer Braunkohlekraftwerken? (Foto: SPBer Lizenz: CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0))

Sind die Kraftwerke in Jänschwalde, Boxberg und Spremberg schuldig? 647 Tote pro Jahr wegen Lausitzer Braunkohlekraftwerken? (Foto: SPBer Lizenz: CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0))

Die Umweltorganisation Greenpeace hat heute die Pressevertreter zu einer großen Pressekonferenz in die Räumlichkeiten der Bundespressekonferenz eingeladen, denn die aktuelle Veröffentlichung soll Wellen schlagen und die Politik beeinflußen. Überschrieben wurde die Einladung so:

Tod aus dem Schlot – Deutschlands schädlichste Kohlekraftwerke Greenpeace beziffert erstmals tödliche Folgen der Schadstoffemissionen

Grundlage für die reißerische Veröffentlichung von Greenpeace ist eine Studie des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universiät Stuttgart. Die Forscher haben dazu ein eigenes Berechnungsmodell entwicklet, dass anhand der Schadstoffemissionen der Kraftwerke, die im Europäischen Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister ersichtlich sind, eine Ausbreitung der Schadstoffe in der Luft simuliert. Die Ergebnisse wurden dann mit Studienergebnissen zu den gesundheitlichen Auswirkungen der wichtigsten Luftschadstoffe Schwefeldioxid, Stickoxide, Feinstaub und toxische Metalle verglichen und mit deren Hilfe wurde dann die Anzahl der Todesfälle je Kraftwerk errechnet. Basis der Berechnungen sind die Emissionsdaten des Jahres 2010. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen können also zum Beispiel in diesem tatsächlich deutlich höher sein – wenn man den Zahlen der Forscher und Greenpeace-Leute Glauben schenkt.

Anhand der ermittelten Werte je Kraftwerk, haben die Greenpeacler dann eine Rangliste erstellt – das kommt bei den Medien immer gut an und animiert besonders pfiffige Onlinemedien gern mal zu einer Klickstrecke „Deutschlands tödlichste Kohlekraftwerke im Überblick“ oder so. Die Rangliste liest sich wie folgt:

Rangliste der 10 gefährlisten Kohlekraftwerke Deutschlands, herausgegeben von Greenpeace.

Rangliste der 10 gefährlisten Kohlekraftwerke Deutschlands, herausgegeben von Greenpeace.

 

Der komplette „Gesundheits-Report“, der den reißerischen Namen „Tod aus dem Schlot“ trägt, kann bei Greenpeace online als PDF heruntergeladen werden.

 

 

Das Problem ist, dass Greenpeace diese Bemühungen der Kraftwerksbetreiber nach mehr Effizienz und Luftreinhaltung nicht einfach bewusst ausblendet, diese Bemühungen spielen bei der Betrachtung der tatsächlichen Schadstoffemission keine Rolle. Denn umgekehrt würde das nur lauten, dass man bisher für deutlich mehr Tote verantwortlich war und nun nur noch für die Hälfte.

Die Kritik an der Greenpeace-Veröffentlichung muss bei der Methodik ansetzen. Denn da ist die Definition, wie die Anzahl der Toten errechnet wurde, höchst dünn ausgeführt. Spannend wäre auch ein Vergleich zwischen den tatsächlichen Messwerten z.B. des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg mit den errechneten Verschmutzungswerten nach dem EcoSense-Modell. Vermutlich müsste das Modell sich hier erstmals an der Wirklichkeit messen.

Doch von aller berechtigter Kritik an der reißerischen Greenpeace-Veröffentlichung abgesehen, ist eine kritische Betrachtung der Schäden und Folgeschäden durch den Braunkohletagebau (Wasserabsenkung, Mondlandschaften, Folgelandschaften) und die Braunkohleverstromung (Luftverschmutzung) angebracht. Es ist unstreitig, dass die schweren Umweltschäden eine Häufung an Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen nach sich zieht. Abgesehen von Statistiken zeigt ein unbefangener Blick in den Hoyerswerdaer WochenKurier jede Woche aufs Neue, dass auffallend häufig Todesfälle bei 35-55-Jährigen zu beobachten ist, oft steht dann „nach langem Kampf“ – gemeint sind damit meist Krebserkrankungen.

Auf der anderen Seite müssen wir trotz Bemühungen um „sauberen“ Strom aus Erneuerbaren Energien erkennen, dass wohl noch für eine längere Zeit auch Strom aus konventioneller Erzeugung nötig sein wird, um eine gewisse Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Bis dahin müssen auch die Hersteller von Elektrogeräten an der Effizenz ihrer Produkte arbeiten ebeson wie die Hersteller von „grünen“ Kraftwerken müssen sich noch gehörig anstrengen.

Vielleicht heißt es dann in vielen Jahren nicht mehr, dass Jänschwalde, Boxberg und Schwarze Pumpe für hunderte Tote pro Jahr verantwortlich sind, sondern die Regionen um die Kraftwerke und Tagebaue sich zu einem beliebten Erholgsgebiet entwicklet haben – siehe das Lausitzer Seenland.

Nachtrag: Natürlich berichten nun auch viele überregionale und lokale Medien, wie beispielsweise die Lausitzer Rundschau.

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