Kürzlich wurde die Stadt Hoyerswerda von der Bundesregierung als „Ort der Vielfalt“ ausgezeichnet worden. Die Initiative, gefördert durch die Bundesregierung, das Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend, das Bundesministerium des Innern und die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration beschreibt die Ziele selbst unter anderem wie folgt:
Um das Bekenntnis für Vielfalt, Toleranz und Demokratie in den kommenden Jahren langfristig und überall vor Ort zu unterstreichen, sind alle Kommunen in Deutschland aufgerufen, sich an der Initiative zu beteiligen. Besonders engagierte Kommunen können sich für ein Schild, das sie als „Ort der Vielfalt“ auszeichnet, bewerben.
Besonders engagiert ist auch das offizielle Hoyerswerda. Mit vielfältigen Aktionen und Initiativen möchte man vor allem dem Image als rechte Stadt entgegenwirken. Ob man damit auch wirklich die Köpfe der Menschen erreicht, steht aber auf einem anderen Blatt. Das Erleben vieler vor allem junger Menschen ist oft ein anderes. Da werden Gegenden als „No-Go-Area“ bezeichnet, wenn man „anders“ ist. Dieses Anderssein kann sich kennzeichnen durch nicht versteckte Homosexualität, durch andere Klamotten, durch eine Frisur… Offensichtlich war nämlich auch eine solche Frisur Anlass für eine Gewalttat gegen Jugendliche. Dabei wurde ein 15-Jähriger bedroht, gegen eine Fesnterscheibe gestoßen und mit Fußtritten traktiert. Sein Begleiter wurde geschlagen, ebenso ein Zeuge. Das ist nicht etwa irgendwo in einem dunklen Hinterhof geschehen, sondern mitten in der Neustadt am Einsteinhaus – einer belebten und auch in der Dämmerung gut beleuchteten Straße, in direkter Nähe zum Lausitz-Center.
Jetzt kann man natürlich diskutieren, ob ein einzelner solcher Vorfall geeignet ist, „breit getreten“ zu werden. Und nach der Polizeistatistik ist es auch ein solcher relativ selten vorkommender Fall. Aber was sagt schon eine Polizeistatistik aus. Gegen ein ungutes Gefühl hilft auch die nicht. Und genau gegen dieses Gefühl wollen die verschiedenen Initiativen in der Stadt ankämpfen. Für diese Initiativen wurde die Stadt Hoyerswerda ausgezeichnet als Ort der Vielfalt. Aber ist nicht gerade dieser Vorfall dazu geeignet, diesen Titel in Frage zu stellen? Spricht es für Vielfalt, wenn man sich wegen einer anderen nicht-genehmen Frisur (was auch immer eine genehme Frisur dann sein mag und wer auch immer das festlegen will) fürchten muss? Oder ging es den Angreifern gar nicht um die Frisur? War es das gleiche Muster, wie die vielen Disko-Rangeleien, bei denen man nur irgendetwas finden will/muss, um endlich mal wieder prügeln zu können?
Ganz am Rande: Dass die Verfasser der offiziellen Polizeiberichte bei der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien gerne mal etwas salopp formulieren ist bekannt. Ob das in jedem Falle passend ist? Ich weiß nicht so recht. In diesem Fall klingt die Nacherzählung des Geschehenen wie in einer Slapstick-Komödie:
Es ging um die Frisur
Hoyerswerda, Albert-Einstein-Straße
01.11.2010, 17:15 Uhr bis 17:30 UhrZwei der Polizei unbekannte Täter haben scheinbar Probleme mit der individuellen Frisur anderer und provozierten deshalb drei junge Leute in Höhe des Einsteinhauses. Insbesondere der Angesprochene (trägt längere Haare) wollte das alles ignorieren. Die Männer wollten wohl nicht so stehen gelassen werden, liefen hinterher. Sie stießen einen 15-Jährigen aus der Dreiergruppe gegen die Fensterscheibe eines Ladens und traten nach. Auch ein 22-Jähriger musste Faustschläge einstecken. Ein 16-Jähriger kam hinzu und erntete ebenfalls Schläge. Die Geschädigten konnten sich in ein nahes Kreditinstitut flüchten, ließen sich nach Verständigung der Polizei im Klinikum ärztlich versorgen. (mw)