Ein Debattenbeitrag: HoyWoy-Stadtrat wie DDR-Volkskammer?

Ein Debattenbeitrag: HoyWoy-Stadtrat wie DDR-Volkskammer?

Ein Debattenbeitrag: HoyWoy-Stadtrat wie DDR-Volkskammer?

Der Hoyerswerdaer Stadtrat wäre damit ja quasi nur ein Akklamationsorgan, so wie einst die DDR-Volkskammer bis in den März 1990? Dazu hier ein Debattenbeitrag aus meiner Sicht. Ihre/Eure Meinung zu diesem Thema interessiert sicher nicht nur mich.
Frank Hirche kritisiert die Stadtverwaltung, dass sie den Stadtrat nur zum Abnicken ihrer Vorlagen gebrauche. Dabei stellt sich zunächst die Frage, welche Aufgaben der Stadtrat wahrnehmen darf und soll. Die Sächsische Gemeindeordnung gibt darauf im §28 wie folgt eine Antwort:
 

§ 28
Aufgaben des Gemeinderats

(1) Der Gemeinderat legt die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest und entscheidet über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt.

(2) Der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Missständen in der Gemeindeverwaltung für deren Beseitigung durch den Bürgermeister.

(3) Der Gemeinderat entscheidet im Einvernehmen mit dem Bürgermeister über die Ernennung, Höhergruppierung und Entlassung der Gemeindebediensteten sowie über die Festsetzung von Vergütungen, auf die kein Anspruch auf Grund eines Tarifvertrags besteht. Kommt es zu keinem Einvernehmen, entscheidet der Gemeinderat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Stimmberechtigten allein. Der Bürgermeister ist zuständig, soweit der Gemeinderat ihm die Entscheidung überträgt oder diese zur laufenden Verwaltung gehört.

(4) Ein Viertel der Gemeinderäte kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde verlangen, dass der Bürgermeister den Gemeinderat informiert und diesem oder einem von ihm bestellten Ausschuss Akteneinsicht gewährt. In dem Ausschuss müssen die Antragsteller vertreten sein.

(5) Jeder Gemeinderat kann an den Bürgermeister schriftliche oder in einer Sitzung des Gemeinderats mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten der Gemeinde richten, die binnen angemessener Frist zu beantworten sind. Das Nähere ist in der Geschäftsordnung zu regeln.

(6) Die Absätze 4 und 5 gelten nicht für die nach § 53 Abs. 3 Satz 3 geheim zu haltenden Angelegenheiten.

In Kurzform: Der Stadtrat legt die Grundsätze für die Verwaltung fest, kontrolliert sie und ist daher auch auskunftsberechtigt.
 
Diese Arbeit geht nun einmal zu großen Teilen über Mitteilungsvorlagen und Beschlüsse im Stadtrat und seinen spezifischen Ausschüssen (derzeit sind es 15 Ausschüsse angefangen mit den Ortschaftsräten bis hin zum Seniorenbeirat). Seit 2006 werden diese im Ratsinformationssystem der Stadt auch für die Bürger veröffentlicht. Das ist eine sehr tolle Sache, zum Einen für Journalisten, weil so eine leichtere Recherche möglich ist, zum Anderen aber für die Bürger, weil sie sich direkt an der Quelle informieren können, was tatsächlich beschlossen wurde. Lässt man sich alle Vorlagen anzeigen, so ergibt dies die stattliche Anzahl von 977 Vorlagen für den Stadtrat seit 2006. Es ist also das Recht des Stadtrates über diese Vorlagen abzustimmen. Aber natürlich dürfen die Abgeordneten auch eigene Beschlüsse einbringen. Dies ist ein Gestaltungsrecht, die vom Volk gewählten Abgeordneten dürfen also nicht nur abnicken, sondern auch selbständig tätig werden, indem sie einen eigenen Antrag ausarbeiten ggf. mit der Verwaltung abstimmen und dann zur Abstimmung stellen.
 
Hirche sagt in seinem Interview, der Stadtrat müsse selbstbewusster im Umgang mit der Verwaltung werden. Ich meine, der Stadtrat sollte vor allem selbstbewusster mit seinen Rechten umgehen und sie auch nutzen. Denn eine kleine Übersicht zeigt, dass von den 977 Vorlagen seit 2006 ganze 10 Vorlagen von den Stadtratsfraktionen eingebracht wurden und nur eine vom gesamten Stadtrat. Das entspricht umgerechnet 1%.
Insgesamt wurden seit 2006 977 Vorlagen in den Hoyerswerdaer Stadtrat eingebracht, davon nur insgesamt 10 von den Stadtratsfraktionen.
Insgesamt wurden seit 2006 977 Vorlagen in den Hoyerswerdaer Stadtrat eingebracht, davon nur insgesamt 10 von den Stadtratsfraktionen.

Der ganze Rest, als die übrigen knapp 99% der Vorlagen wurden durch die Stadtverwaltung, davon bringt es allein der Oberbürgermeister auf satte 191 Vorlagen, also umgerechnet zirka 19,5% aller Vorlagen.

 
Das heißt aber eben nicht automatisch, dass der Stadtrat faul ist, nicht gestalten will oder nicht kann, sondern es kann auch bedeuten, dass der Stadtrat eben keine grundsätzlich andere Sicht der Dinge hat. Ich bin der Meinung, dass viele Stadträte eben auch sehen, dass nicht die schlechteste Politik gemacht wird. Unter den besonderen Bedingungen der Stadt – ein strukturelles Defizit in Millionenhöhe, ein vom Land auferlegtes Haushaltskonsolidierungskonzept, mehrmalige Haushaltssperren in den Vorjahren – wurde dennoch Vieles erreicht. Denn sowohl die Sparziele wurden sogar übererfüllt, als auch wichtige Weichen für die Zukunft gestellt: So werden die Erträge aus der teilkommunalen Versorgungsbetriebe Hoyerswerda (VBH) über die Stadtwerke Holding (SWH) dazu genutzt, um freiwillige Aufgaben auszufüllen, die die Stadt aus finanziellen Gründen nicht mehr übernehmen darf. So wurde der Betrieb von Lausitzbad, Lausitzhalle, Museum und Zoo abgesichert, wurde die VSE mittelfristig auf sichere Fundamente gestellt.
 
Und dennoch: Stadträte klagen oft über eine gewisse „Geheimniskrämerei“ bei der Verwaltung, klagen, dass man sich die Auskünfte manchmal erkämpfen müsse. Auch das ist ärgerlich, darauf hinzuweisen und für ihre Rechte zu kämpfen, ist die Pflicht der Abgeordneten. Andererseits ist so ein Abschotten nach Außen hin, nicht untypisch. Das ist wie auch auf Arbeit, wenn man ständig von externen Prüfern zu Vorgängen befragt wird und Rede und Antwort stehen muss, ist man auch zurückhaltend mit Informationen, wenn man das Gefühl hat man werde kontrolliert und vielleicht auch persönlich als „Schuldiger“ ausgemacht.
 
 
Also der Hoyerswerdaer Stadtrat keineswegs ein reines Zustimmungsorgan. Er hat die Möglichkeiten, eigene Anträge zu stellen und kann frei entscheiden, ob er Beschlussvorlagen der Verwaltung zustimmt oder nicht. Diese Rechte muss der Stadtrat natürlich selbstbewusst und konsequent wahrnehmen. Da ist einfach mehr Aktivität wünschenswert, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass nur die Verwaltung gute Ideen hat, wie es mit Hoyerswerda weiter gehen soll. Schließlich verweist Frank Hirche in seinem Gespräch mit der Rundschau auch darauf, dass ja Bürger in seinen Sprechstunden mit der Verwaltung Probleme hätten:
 
70 Prozent der Leute, die zu uns kommen, haben Probleme mit Behörden.
Aber das ist doch kein spezielles Problem der Stadt Hoyerswerda! Das ist generell in Deutschland so. Die Ursachen dafür sind aber eben auch hausgemacht. Zum Einen halten sich die Gemeinden oft buchstabengenau an die gesetzlichen und anderen normativen Vorgaben – weil sie es müssen! Zum Anderen wissen viele Bürger eben gar nicht, dass die Verwaltung oft keinen Ermessensspielraum hat oder bei Ausnutzung desselben durch die Aufsichtsbehörden gemaßregelt wird. Und dann kommt in Hoyerswerda die spezielle Situation dazu, dass sich die Stadt viele Jahre tolle Dienstleistungen geleistet hat, zu denen sie finanziell nicht in die Lage versetzt wurde. Ich denke da zum Beispiel an die früher oft sehr gute Sauberkeit der Straßen, die hübsch gepflegten Grünanlagen oder eben an die regelmäßigere Kontrolle und Instandsetzung der Straßenbeleuchtung. Das sind heute natürlich immer wieder Aufreger – zu Recht.
 
Was meint Ihr? Was meinen Sie? Ist unser Stadtrat zu duckmäuserisch? Oder läuft alles supi-gut?
 

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