Kampf um Leser mit harten Bandagen: Tageblatt schreibt Brief an LR-Leser

Kampf um Leser mit harten Bandagen: Tageblatt schreibt Brief an LR-Leser

Kampf um Leser mit harten Bandagen: Tageblatt schreibt Brief an LR-Leser

Letzte Woche äußerte ich an dieser Stelle noch meine große Freude darüber, dass die Lausitzer Rundschau wieder mit einer eigenen Lokalredaktion in Hoyerswerda präsent ist. Da schrieb ich auch, dass die Konkurrenz eben das Geschäft belebt und davon die Leser profitieren werden. Und schon wenige Tage später zeigt sich, dass man beim Tageblatt offensichtlich nervös wird. Denn nun wurden in der Stadt unzählige Briefe der Tageblatt-Redaktion an Rundschau-Leser verteilt. Der Inhalt könnte Anstoß für einen Konflikt sein…
Natürlich ist es immer schön, Post zu bekommen, solange es sich nicht um Rechnungen oder ähnlich Unappetitliches handelt. Werbung wird meist sofort aussortiert, dazu steht in den meisten Wohnblocks direkt neben den Briefkästen ein Eimer für die bunte Papierflut. Ein Werbebrief wurde in den vergangenen Tagen außergewöhnlich häufig gelesen. Für all Jene, die den Brief nun doch schon vor dem Lesen entsorgt haben, bieten wir hier den kompletten Brief zum Nachlesen an.
Dieser Brief ist Stein des Anstoßes: Die Redaktion des Hoyerswerdaer Tageblatts schreibt an die Leser der Rundschau.

Dieser Brief ist Stein des Anstoßes: Die Redaktion des Hoyerswerdaer Tageblatts schreibt an die Leser der Rundschau.

Da empfangen den Leser fein säuberlich aufgereiht die sechs Redakteure aus der Schreibstube im Lausitz-Center. Ganz neutral informiert da Redaktionsleiter Uwe Schulz, dass der Lokalteil der Lausitzer Rundschau nun nicht mehr von ihnen stammt und die Rundschau sich entschieden hat, 

 
…andere  mit dieser Aufgabe zu betreuen. Wir finden das sehr schade.
Ja. Natürlich muss das ein Angestellter sehr schade finden, dass dem Chef nun ein wichtiges finanzielles Standbein weggerissen wird. Denn natürlich war der Service am Rundschau-Leser nicht kostenlos. So konnten die gleichen Artikel, die man sowieso für die SZ recherhiert und geschrieben hatte, meist sogar ohne Änderungen kostenpflichtig an die LR weitergereicht werden. Das würde ich als Angestellter auch sehr schade finden, weil mein Arbeitsplatz durch diese Entscheidung zumindest gefährdet wird – es sei denn Wochenblatt-Verlag-Chef Siegbert Matsch stößt auf eine Ölquelle.
 
Doch es geht weiter im Text. Nun wird es emotional. Schauen Sie doch mal in die Gesichter der Redakteure – immerhin hat man sich den „Dackelblick“ verkniffen!
 
Alle stammen von hier. Alle leben gern in ihrer Heimat.
 Das, finde ich, ist die wohl gemeinste Stelle im ganzen Brief. Durch die Blume will man damit sagen. Seht her, WIR sind von hier. Und „die“ da? WIR leben gern hier, hier ist UNSERE Heimat. Und „die“ da? Und natürlich, dieser unterschwellige Vorwurf ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Lausitzer Rundschau muss eben eine ganz neue Redaktion aufbauen. So wird es wohl in den ersten Monaten eine Mischung aus Hoyerswerd’schen und Redakteuren aus dem Umland geben. Freilich schreiben aber auch beim Tageblatt in regelmäßigen Abständen Leute, die nicht von „hier“ sind – da meckert ja auch niemand.
 
Danach folgen noch einige Sätze, die so in Ordnung sind. Wir schreiben, um den Lesern das positive Lebensgefühl zu vermitteln und dafür ecken wir auch mal an. Und wir sind schon seit 20 Jahren hier.
 
Der Schluss hat es dann noch einmal in sich. Denn da wird der Leser eingehüllt und freundlich geschrieben, dass man doch die neue Lausitzer mal in Ruhe testen solle:
 
…ausführlich und kritisch…
Vor allen Dingen kritisch. Darauf kommt es ja auch an, denn nur wenn möglichst viele neue SZ-Leser gewonnen werden können, wird es auch mehr Geld aus Dresden für das Tageblatt geben. Aber wie soll man denn testen? Klar die Antwort gibt Uwe Schulz auch:
 
…am besten, indem Sie vergleichen.
Logisch und damit das leichter geht, kommt nun das (un?)moralische Angebot, doch einfach parallel kostenlos zwei Wochen die SZ zu erhalten. Mit diesem Angebot kommt das Tageblatt wohl noch halbwegs rechtzeitig. Denn tatsächlich waren die ersten Lokalausgaben der LR im neuen Jahr doch zu großen Teilen geprängt von fehlender Relevanz, künstlich in die Länge gezogenen Artikeln und eben sehr wenig Lokalem aus Hoyerswerda. Das hat sich in den vergangenen Tagen schon stark geändert. Es wird merklich besser. Doch genau jetzt sind sie noch „verwundbar“, weil es eben immer einige Monate dauert, bis sich die Abläufe eingespielt haben, bis man auch die nötigen Beziehungen zu Entscheidungsträgern aufgebaut hat. Genau jetzt sieht man beim Parallelvergleich der beiden Lokalausgaben eben noch die Unterschiede in der Themenwahl. Darauf baut die „Sächsische“. Ob die Rechnung aufgehen wird?
 
Die zentrale Frage für Außenstehende mag aber lauten: „Geht denn das? Dürfen die das?“ Selbstverständlich ist es erlaubt und auch wieder nicht – jedenfalls ist das Wettbewerbsrecht in Deutschland ein vermintes Feld. Das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb regelt im § 6 die vergleichende Werbung. Nicht erlaubt – also unlauter sind demzufolge folgende Vergleiche:
 
1.

sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht,

2.

nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,

3.

im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt,

4.

den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt,

5.

die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft oder

6.

eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt.
Hier erkennt man sehr gut, warum der Brief an die lieben Rundschau-Leder so vage, so bonbonartig geschrieben ist. Denn das Wettbewerbsrecht sieht hier sehr enge Grenzen vor. Am Ehesten könnte man hier einwenden, dass der Ruf des Wettbewerbers in unlauterer Weise beeinträchtigt werden könnte. Doch auf dieses Spielchen wird man sich hoffentlich weder an der Cottbusser Straße der Jugend noch in der Choco-Lounge im Hoyerswerdaer Kino einlassen.
 
Letztlich ist das alles eine Frage des Stils. Man könnte dem Tageblatt eben vorwerfen, hier höchst böswillig gehandelt zu haben. Ich würde es lieber mit einem harten Konkurrenzdenken beschreiben. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass man nette Briefchen direkt an die Leser der Lausitzer Rundschau schickt, das gab es in der Vergangenheit auch schon. Ob es schlechter Stil wäre, wenn die LR diesen Brief als Fehdehandschau begreifen und selbst zurück“schießen“ würde? Das wäre sicher ebenso grenzwertig, aber warum denn nicht?
 
Schneller als erwartet zeigt sich schon jetzt ein Konkurrenzkampf mit harten Bandagen. Da wirft Wochenblatt-Chef Siegbert Matsch seine Redakteure ins Feuer. Wirft das Vertrauen der Leser in seine Redakteure ins Feuer. Ob es klug ist, das zum jetzigen Zeitpunkt zu tun oder ob damit nicht vielleicht das Vertrauen in die saubere Arbeit des Tageblatts und seiner Redakteure beschädigt wird? Mich erreichten jedenfalls eine Reihe aufgebrachter Rundschau-Leser-Reaktionen. Da sieht man das weniger gelassen. Doch abgerechnet wird erst viel später. Die neue Redaktion der LR muss in den kommenden Wochen mit starken Stories überzeugen und Leser für sich gewinnen. Durch den neuen journalistischen Konkurrenzkampf werden aber am Ende vor allem die Leser gewinnen – davon bin ich fest überzeugt.
 
 

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