Hoyerswerda 1991: Bundestagsdebatte. Heute: Ulrich Klinkert (CDU)

Ulrich Klinkert, Bundestagsabgeordneter der CDU als direkt gewählter Kandidat des Wahlkreises Hoyerswerda von 1990-1998 im Deutschen Bundestag. Foto: Archiv Deutscher Bundestag

Ulrich Klinkert, Bundestagsabgeordneter der CDU als direkt gewählter Kandidat des Wahlkreises Hoyerswerda von 1990-1998 im Deutschen Bundestag. Foto: Archiv Deutscher Bundestag

Im September 1991 erlangte unsere Heimatstadt Hoyerswerda traurige Berühmtheit. Nachdem über mehrere Tage hinweg gewalttätige Auseinandersetzungen vor dem Vertragsarbeiterwohnheim und dem Asylbewerberheim wüteten, präsentierten sich hunderte Hoyerswerdaer als begeistertes Klatschvieh und lieferten die passende Untermalung für die nach Sensationen gierende Presse.

Das Bild der Stadt ist seitdem für immer geprägt von den Bildern einer dumpfen Masse, die applaudiert, wenn ein Stein die Fensterscheibe getroffen hatte.

Natürlich war das auch das bestimmende Thema im Deutschen Bundestag. Nur zwei Tage, nachdem die Asylbewerber vor laufenden Kameras und der geifernde Meute, die direkt vor dem Asylbewerberheim wartete, abtransportiert wurden, gab es eine sogenannte aktuelle Stunde. Wir wollen in den kommenden Tagen einige Reden beispielhaft aus dem Archiv kramen, damit man sich noch einmal ein Bild von den Reaktionen im Parlament machen kann.

Zum Auftakt haben wir den Bundestagsabgeordneten Ulrich Klinkert (CDU) im Angebot, der von 1990 bis 1998 stets direkt im Wahlkreis Hoyerswerda gewählt wurde und aus seiner Sicht die Ereignisse schildert. Es handelt sich hierbei um das Protokoll der Stenographen, die auch die Zwischenrufe soweit möglich mit notiert haben.

Ulrich Klinkert (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So ehrenhaft es gerade für einen ehemaligen DDR-Bürger ist, an diesem Pult vor diesem Hohen Haus zu sprechen, so traurig ist für mich persönlich der Anlaß, dies heute tun zu müssen. In Hoyerswerda scheint die Gewalt zu eskalieren.

(Dr. Ulrich Briefs [PDS/Linke Liste]: Sie eskaliert!)

In meiner Heimatstadt, in meinem Heimatkreis gibt es Straßenschlachten zwischen Rechtsradikalen, Polizisten und Autonomen. Ist deswegen Hoyerswerda eine rechtsradikale Stadt, wie der Herr Schreiner von der SPD das hier aussagen wollte?

(Johannes Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Der Schreiner war schlimm! — Zurufe von der CDU/CSU: Pfui! Pfui!)

Ich kann Ihnen, Herr Schreiner, bescheinigen: Mit Ihren Aussagen überholen Sie auf der linken Seite selbst noch die PDS.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Wollen wir doch die Polemik besser beiseite lassen. Ich wollte nur zeigen, daß wir es auch können.

(Zuruf von der SPD: Das brauchen Sie nicht zu beweisen!)

Wollen wir doch die Polemik lieber beiseite lassen und vernünftig zunächst einmal nach den Ursachen forschen, um dann an der Beseitigung eventuell sogar zusammenzuarbeiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

Die Saat für diese Gewalttätigkeiten ist nicht jetzt entsprungen, sondern bereits im real existierenden Sozialismus gelegt worden.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)
Verdeutlichen Sie sich doch bitte einmal mit mir die Lage, in der die Hoyerswerdaer jetzt sind. Wen hat man denn dort am Wochenende angetroffen? Ich war da. Da waren zunächst Schaulustige. Sie waren angestachelt durch die Medien. Es waren ca. 500 Menschen, die in Hoyerswerda zusammenkamen und die genauso in jeder anderen deutschen Stadt auf Grund dieser Anlässe ebenfalls in dieser Anzahl zusammengekommen wären. Dann haben wir die sogenannten Rechtsradikalen — vierzig bis fünfzig Jugendliche,

(Peter Conradi [SPD]: Was heißt denn sogenannte?)

die in auffälliger Kleidung und mit kahlgeschorenen Köpfen — nach ihren eigenen Aussagen — dort hingekommen
sind, um — ich nehme einmal die Begriffe dieser Jugendlichen — Neger aufzuklatschen; so haben die Leute gesprochen.

(Johannes Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Der Conradi ist menschlich gemein!)

Wer sind eigentlich diese Leute mit den kahlen Schädeln? Blicken Sie einmal in die Gesichter. Es sind z. T. noch kindliche Gesichter. Es sind 14-, 15- und 16jährige, die durch die Schule des Sozialismus gegangen sind und die bereits als Einjährige jeden Morgen um 6 Uhr in der Kinderkrippe abgegeben worden sind

(Zurufe von der SPD)

und die natürlich auch einen sozialistischen Kindergarten ganztags mitgemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Christina Schenk [Bündnis 90/GRÜNE]: Machen Sie sich doch nicht lächerlich! — Weitere Zurufe von der SPD)

—Ich weiß, das paßt nicht in Ihre Polemik. Aber man muß den Ursachen auf den Grund gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

— Meine Damen und Herren, wollen wir darüber sprechen oder nicht, oder wollen Sie, von der SPD, hier nur herumbrüllen, weil das besser in Ihr Konzept hereinpaßt?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Wer sind die Schaulustigen, die dort gestanden haben? Es sind Menschen, die nicht erst seit einem Jahr mit Ausländern zusammenwohnen. Die Ausländer sind Menschen, die aus anderen Kulturen kommen, die andere Lebensideale haben und die, von mir aus, sogar andere Beg riffe für Ordnung haben. Diese Menschen, diese Ausländer, dürfen im Moment nicht arbeiten. Infolgedessen haben sie einen völlig anderen Tagesrhythmus. In diesen Betonblöcken, in denen die Menschen mit Ausländergruppen Tür an Tür zusammenwohnen, genügen kleinste Anlässe, um Unverständnis und Aggressivität zu erzeugen. Mit einem Kofferradio können Sie in diesen Blöcken ein ganzes Haus beschallen. Wenn diese Leute eben nicht um 20 Uhr schlafen gehen und statt dessen etwas Musik hören, dann erzeugt das auf Dauer Aggressivität.
(Christina Schenk [Bündnis 90/GRÜNE]: Ach was!)

— Das ist gewiß nicht die einzige Ursache, das ist mir wohlbekannt. Dazu kommen alte Widersprüche, die bereits da waren, als beispielsweise Mosambikaner oder andere Ausländer gegenüber DDR-Bürgern privilegiert waren, weil sie eben einen Reisepaß hatten, mit dem sie jederzeit und zu jeder Stunde nach West-Berlin konnten und durch die Geschäfte des Reisens mehr verdient haben als mancher DDR-Bürger im ganzen Monat.

(Albert Müller [Pleisweiler] [SPD]: Schämen Sie sich denn nicht?)

Hoyerswerda ist keine rechtsradikale Stadt. Die Mehrheit der Hoyerswerdaer ist sehr besonnen und hat sich ordentlich verhalten. Ich stelle mich bewußt vor die Bürger von Hoyerswerda.

(Zuruf des Abg. Peter Conradi [SPD])

Ich stelle mich bewußt vor die Kommunalvertreter. Frau Schmalz-Jacobsen, hier unterliegen Sie einem Irrtum der Medien. Diese Leute waren vor Ort. Ich war selber dabei. Sie haben das Mögliche getan. Ich möchte ganz bewußt den einzelnen Polizisten danken, die trotz für sie wid riger Umstände und unter nicht einfachen Bedingungen dort gearbeitet haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Welche Alternativen gibt es? Ich glaube, wir kommen an einer Grundgesetzänderung nicht vorbei.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD — Lachen beim Bündnis 90/GRÜNE — Ingrid Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Frau Präsidentin, sorgen Sie mal für Ruhe!)

Bevor wir uns darüber verständigen, ist es notwendig, die Praxis des Anerkennungsverfahrens für Asylanten zu beschleunigen und dann, wenn ein negativer Bescheid gegeben wurde, auch die rigorose Abschiebung vorzunehmen.

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluß!

Ulrich Klinkert (CDU/CSU): Es sind bauliche Voraussetzungen in der Stadt Hoyerswerda zu schaffen. Lassen Sie mich zum Schluß eine Bitte an die Bundesregierung aussprechen: Entwickeln wir ein Städtebauprogramm zur Vermenschlichung der sozialistischen Architektur,

(Zuruf von der SPD: Darüber reden wir schon lange!)

weil darin auch eine der wichtigen Ursachen der Eskalation der Gewalt in Hoyerswerda zu suchen ist!

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

FAZIT: Es soll also die Kinderkrippenpraxis und Kindererziehung der DDR Schuld tragen an den Ereignissen. Außerdem ist die sozialistische Architektur eine Ursache für die Entmenschlichung. Am Ende wurde Hoyerswerda zehn Jahre später Modellstadt und bekam den Abriss von tausenden Wohnungen durch Fördermittel bezahlt. Der Bundestagsabgeordnete war von 1994 bis 1998 als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit tätig. Seinen weiteren Werdegang beschreibt die freie Enzyklopädie Wikipedia wie folgt:

Seit 2003 leitete er in Cottbus die Abteilung Umweltschutz / Genehmigungen beim Energie-Konzern Vattenfall Europe Mining & Generation. Am 1. Dezember 2005 übernahm Klinkert bei der Vattenfall-Holding in Berlin die Stelle des Leiters der Abteilung „Public Affairs“.

Schreibe einen Kommentar