Das Comeback der Platte: Chance für Hoyerswerda?

Der neue Bundesregierung hat in den letzten Wochen ihr Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre vorgestellt. Viel wird da angepeilt. Interessant ist aber vor Allem die Ansage aus dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, dessen neue Ministerin Clary Geywitz aus dem „Osten“ stammt, ließ Medien aufmerksam werden: Um das Problem steigender Mieten und der Wohnraumknappheit in den Griff zu bekommen, sollen in jedem Jahr 400.000 neue Wohnungen geschaffen werden. Das sei ja durchaus machbar, habe doch Deutschland schon vor vielen Jahrzehnten solche Zahlen erreicht. Tatsächlich wurden im Jahr 2020 nur gut 300.000 neue Wohnungen geschaffen. So weit so gut. Wo sollen jetzt aber die zusätzlichen 100.000 Wohnungen herkommen und wie sorgen wir dafür, dass man das auch bezahlen kann. Die Zauberfomel lautet: Serielles Bauen. Oder bei uns auch PLATTENBAU genannt!

Und genau da kommt Hoyerswerda ins Spiel. Denn kostengünstiges und schnelles Bauen, da war Hoyerswerda in der DDR DIE Spielwiese für Architekten und Neuererbrigaden.

Denn nachdem der Aufbau der Wohnstadt Hoyerswerda für das Kohlekombinat Schwarze Pumpe beschlossen wurde, legten die Bauarbeiter tüchtig los. Hier wurde zunächst am Bahnhosvorplatz und bei der Westrandbebauung klassisch Stein auf Stein gemauert. Schöne „Arbeiterpaläste“ sind dabei entstanden. Doch wirklich wirtschaftlich war das nicht und dauerte zudem auch viel zu lange. Schon 1957 entstand im neuen Wohnkomplex I der erste Wohnblock in Großblockbauweise (heute: Dameraustraße 2-10). Großblock, das waren prinzipbedingt eben noch keine Plattenbauten. Dabei durfte eben das Maximalgewicht von 800kg je Großblock nicht überschritten werden, weil die damals verfügbare Krantechnik eben keine größere Traglast hatte. Damit einher gingen gewisse Einschränkungen, die Räume hatten durch das Maximalgewicht der Segmente eben auch nur maximale Längen (weil die Deckenplatten eben nur maximal 3,6m lang sein konnten). Doch natürlich waren die Wohnungen für ihre Zeit traumhaft schön und gut ausgestattet.

Doch auch das war immer noch zu langsam, vor allem aber zu teuer je m² Wohnfläche. So war der Schritt hin zur Großtafelbauweise (später: Plattenbauweise) nur denklogisch. In der Fabrik vorgefertigte Platten, die auf der Baustelle nur noch zusammengesetzt wurden und danach nur geringe Nacharbeiten erforderte. Auch hier wurde bereits 1957 die erste „Platte“ (heute: Konrad-Zuse-Straße 9-13) fertiggestellt. Ab diesem Zeitpunkt ging es dann stets um die Optimierung. So wurde eben beschlossen, dass der Großteil des Neubaus auf der „Grünen Wiese“ entstehen soll, um kostengünstig die Wohnblocks auf einer Schiene wie an einer Schnur zu errichten, so entfiel die Zeit für das ständige Umbauen der Kräne. Auch wurde von Generation zu Generation geschaut, wo man noch mehr Material in den Platten selbst einsparen könne und auch die Produktion der Platten selbst stärker automatisieren können. Die WBS70-Platte war das quasi das Nonplus-Ultra der Einsparung mit eingelegter Dämmung, was aber eben auch teuren Beton einsparte. Zuletzt wurde sogar das Betonwerk im Industrieglände computergestützt aufgerüstet, um schneller und noch kostengünstiger Wohnungen wie am Fließband zu produzieren.

Hoyerswerda hat also zweifellos Erfahrungen mit der reinen Technik des seriellen Bauens, mit zeit- und kostengünstigem Bauen. Doch viel wichtiger sind sicher auch die Erkenntnisse, wie man lebenswerte Wohnquartie schafft. Denn die Philosophie des Bauens in der DDR war eben auch, in jedem „Wohnkomplex“ auch Einrichtungen des sozialen und des täglichen Bedarfs zu schaffen. So hatte jedes WK seine eigenen Schulen, Kindergärten, Kaufhallen und so weiter.

Wenn heute in deutschen Städten neue Quartiere errichtet werden, dann ist in seltenen Fällen noch eine Kita dabei, mehr wird aber nicht direkt mitgeplant. Hier komplette soziale Strukturen bereits bei der Planung und Projektierung mitzudenken, bereits von Anfang an eine ÖPNV-freundliche Infrastruktur mitzudenken, das sollte Grundkonsens sein.

Nicht zuletzt sollte aber bei allem öffentlichem Aufschrei wieder des „hässlichen und monotonen Plattenbaus“ auch Eines nicht aus den Augen gelassen werden: Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen ist eine soziale Aufgabe, war es in der DDR und ist es auch heute in unserem Deutschland. Einer Gleichförmigkeit der äußeren Hülle kann durch eine Vielfalt in den zur Verfügung stehenden Grundrissen sehr wirksam und auch kostengünstig begegnet werden. Denn am Ende müssen die Menschen, die diese Wohnungen beziehen werden, die Platte wohnlich und indiviudell werden lassen. Das kann gelingen – am Vorbild Hoyerswerdas kann man lernen, was gut funktioniert und was nicht.

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