Hoyerswerda und sein Erinnern an die Attacken auf die Unterkünfte für die Vertragsarbeiter und die Asylbewerber im Jahre 1991 – das ist grundsätzlich ein schwieriges Thema. Doch zu Recht wurde anlässlich des zwanzigjährigen unrühmlichen Jubiläums die Stadt von Vielen gefragt:
„Hat Hoyerswerda seit 1991 nichts dazu gelernt?“
Denn Vieles, was getan wurde, lief nicht unter der Prämisse der Nachhaltigkeit. Es gibt noch immer keinen zentralen Ort, an dem öffentlich an das Versagen der Zivilgesellschaft gedacht wird. Also wollte die Stadt im September von ihren Bürgern wissen:
Wie und auf welche Weise soll in Hoyerswerda fortan und nachhaltig mit dem Gedenken an 1991 umgegangen werden?
Heute hat die Stadt Hoyerswerda auf Anfrage das Ergebnis der großen Umfrage bekannt gegeben. Insgesamt wurden nur 184 Umfragezettel bei einer der fünf Abgabestellen (Globus, Lausitz-Center, Kaufland, Rathaus, Bürgeramt) abgegeben. Das ist ein mageres Ergebnis, wenn man bedenkt, dass sowohl im Internet als auch in einer Zeitungsbeilage und natürlich auch in Rathaus und Bürgeramt Stimmzettel verfügbar waren. Zusätzlich waren auch Stimmabgaben per E-Mail oder Fax möglich – ungewöhnlich flexibel zeigte sich da die Stadtverwaltung. Dabei muss aber beachtet werden, dass es in Hoyerswerda generell sehr schwer ist, die Einwohner zu einer Aktion zu bringen, einfach mal frei geradeaus ihre Meinung zu sagen.
Die meisten Stimmen gab es freilich für die 3 unverbindlichen Vorschläge der Stadt:
Vorschlag | Stimmen |
135 | |
127 | |
Stele in der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße | 83 |
5 | |
Stele auf dem Lausitzer Platz | 3 |
Stele im Reimannpark | 2 |
Stolperstein auf Marktplatz und Lausitzer Platz | 2 |
Kein Gedenken in Hoyerswerda | 39 |
andere | 3 |
Dass immerhin 39 der 184 abgegebenen Stimmzettel sagen, dass sie keine Gedenkstätte wollen, kann man unterschiedlich bewerten. Das sind immerhin knapp über 20% der Stimmen. Man kann es so interpretieren, dass viele Hoyerswerdaer dieses Thema einfach nicht mehr hören können und mit dem, was war, nichts zu tun haben möchten. Insbesondere regelmäßige Wiederholungen, Hoyerswerda wäre die Wurzel für die rechtsextremen Taten der frühen Neunzigerjahre, haben dafür gesorgt. Heute sprechen gar einige Zeitungen von der Generation Hoyerswerda, wenn sie die Nazi-Szene der 90-er „beleuchten“ wollen – doch wenn wir uns mit 1991 nicht auseinandersetzen, uns Ursachen, Auslöser und Folgen nicht stets vor Augen führen, dann scheitern alle Jene, die für Hoyerswerda eine gute Zukunft erreichen wollen. Es zeigt aber eben auch, dass noch eine Menge Arbeit vor den Stadtvätern liegt. Denn Demokratie ist eine politische Form, bei der die Parteien, die Amtsträger dem Volk ihr Handeln vermitteln müssen, sprich: Sie müssen aktiv werden, damit die Bürger aktiv werden.
Interessant sind die von der Stadt als Gruppenvorschläge titulierten Möglichkeiten: So wird eine Dauerinstallation vom KARSTADT-Warenhaus vorgeschlagen. Auch ein überdimensionales Fassadenbild wie auf dem Hochhaus an der Südstraße sei denkbar. Oder eben eine große Gehwegplatte auf dem Lausitzer Platz.
Die Ergebnisse zeigen zweierlei. Zum Einen hat ein Großteil nur die von der Stadt vorgeschlagenen drei Antwortmöglichkeiten mit einer Stimme bedacht. Dass die darauf hinauslaufen, dass entweder hinter verschlossener Tür versteckt im Rathaus gedacht wird, oder öffentlich in einem Wohnkomplex, den es bald nicht mehr gibt, wo ein angedachter Stolperstein kaum jemanden „stolpern“ lassen kann, weil da niemand mehr entlang geht, hatte ich ja bereits im Oktober angemerkt. Zieht man von den 184 Stimmen die 39 Nein-Stimmer ab, dann bleiben also noch 145 Ja-Stimmer, die sich an der Suche nach Gedenkmöglichkeiten beteiligt haben. Überrascht bin ich, dass immerhin 83 Mal der Alternativvorschlag Stele in der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße gewählt wurde. Das deutet zum Einen darauf hin, dass ein Teil der Bürger das Gedenken lieber im Herzen der Stadt möchte. Andererseits lässt es auch Mehrfachabstimmungen vermuten, um das Ziel, mit einer Stele vor der „Polenmauer“ zu erinnern, dass sich ja die Initiatoren der Initiative „Pogrom 1991“ auf die Fahne geschrieben hatten, öffentlich wahrnehmbar zu machen.
Über die Folgen dieser Umfrage gibt die Stadt wie folgt Auskunft:
Die Umfrage wurde in der Verwaltungsspitze sowie mit den Fraktionsvorsitzende der im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählervereinigungen ausgewertet und bewertet.
Unter dem Aspekt, dass die Umfrage als nicht repräsentativ zu bewerten ist, sind sich Stadtrat und Stadtverwaltung einig, dass die Thematik der Ausschreitungen aus dem Herbst 1991 ständig präsent zu halten ist und regelmäßige Informationen über die Ereignisse wichtig und notwendig sind. Aus diesem Grund ist für das Jahr 2012 eine Erweiterung der bestehenden Ausstellung vorgesehen, in der über die Ursachen und Gründe für die Ausschreitungen informiert werden soll.
Aha, das Ergebnis der Umfrage lautet also, dass man zunächst nichts weiter unternimmt, als das Gedenken an das kollektive Versagen im Jahr 1991 durch regelmäßige Informationen hochhalten will. Stattdessen soll die temporäere Ausstellung in der Orange Box ausgebaut werden. Nur noch mal zur Erinnerung, die Orange Box sollte eigentlich über den Stadtumbau in Hoyerswerda informieren. Doch ich meine, dass die Ausstellung zu den Ereignissen von 1991 in der Orange Box nun nicht am prominentesten Ort steht. Die Stadt selbst fasst den Erfolg der bisherigen Ausstellung so zusammen:
Die Ausstellung in der OrangeBox „Herbst 1991“, die bis zum 31.12.2011 zu besichtigen war, hatte rund 2.000 registrierte Besucher.
Dafür dass die Ausstellung für die Stadt und die Außenwirkung der Stadt so wichtig ist, ist das nun nicht gerade ein Besucheransturm. Hier sollte also auch über das Konzept der Ausstellung nachgedacht werden, was sowohl die Präsentation angeht, als auch über die zu erreichenden Zielgruppen.