Es hat fast die Ausmaße eines mittelschweren Erdbeebens, das aller paar Wochen wieder kehrt. Wenn im Lausitzer Revier hunderte Schlecker-Mitarbeiter entlassen werden, dann interessiert das außerhalb der Lausitz – niemanden. Wenn der Stadt Hoyerswerda Zukunftsperspektiven durch die Zwangs-Einkreisung genommen und hunderte Landkreisarbeitsplätze in den Konkurrenzkommunen Bautzen und Kamenz geschaffen werden, dann interessiert das außerhalb Hoyerswerdas – niemanden. Wenn nun aber ein bestimmtes Wildtier in der Lausitz einen attraktiven Lebensraum entdeckt, dann finden sich die Tierfreunde weltweit zusammen und ergötzen sich an dem Stück „Natur“. Einer Katastrophe kommt es da gleich, wenn doch eines der Wildtiere verstirbt.
Wolf überfahren bei Hoyerswerda16.04.2012:Am Montag, den 16.04.2012, wurde auf der S234 zwischen Klein Partwitz und Hoyerswerda (Landkreis Bautzen) ein Wolf von einem Auto überfahren. Es handelt sich um einen männlichen Welpen. Der Unfall ereignete sich im Revier des Seenland Rudels, welches seit 2009 nachgewiesen ist.
Diese Meldung ist für die Bewohner der Lausitz sicherlich regional interessant, so wie jeder andere Verkehrsunfall es auch wäre. Also berichtete unter anderem die Lausitzer Rundschau nachrichtlich über diesen Unfall, zusammen mit einem Foto des getöteten Jungwolfs. Dazu gesellen sich die üblichen Pro-Contra-Kommentare. Parallel dazu wurde die Pressemeldung des Wolfsbüros auch über die Deutsche Presseagentur DPA vermeldet. Dort wurde der Artikel aber noch „angereichert“ um eine böse Tendenz:
Unfälle mit Wölfen im Straßenverkehr kommen immer wieder vor.
Das ist noch relativ harmlos – aber scheinheilig, denn nun kommt der Hammer:
Im Dezember 2011 war ein Fall bekanntgeworden, bei dem eine Wölfin offensichtlich absichtlich gehetzt und überfahren wurde. Der Waldweg, auf dem die etwa acht Monate alte Wölfin überrollt wurde, war an beiden Seiten gezäunt – das Tier konnte so nicht ausbrechen.
Hierbei geht es um den Tod eines Wolfswelpen am 2. Dezember 2011 auf einem Waldweg bei Driewitz. Die Polizei hatte damals Ermittlungen aufgenommen, den Ausgang dieses Verfahrens kann sich sicher jeder denken. Die vorgefundenen Reifenspuren deuteten darauf hin, dass das weibliche Jungtier womöglich mutwillig überfahren wurde. Nun wird aber in einem Bericht zu einem Autounfall gleich die gehässige Wendung gebracht, dass ja schon im vergangenen Jahr mutmaßlich (!) ein Wolfswelpe absichtlich überfahren wurde. Die Reaktionen der Wolfsfreunde sind da natürlich abzusehen!
Diese DPA-Meldung fand so automatisch Eingang in viele Zeitungen und automatisch auch in unzählige Zeitungsinternetseiten: So meldete BILDonline um 18:57 Uhr im Regionalbereich Dresden, WELTonline vermeldete wortgleich, auch die Sächsische Zeitung brachte die automatische DPA-Meldung unverändert im Lokalteil Sachsen. Leicht redaktionell angepasst wurde eine DAPD-Meldung (ein Konkurrent der DPA) bei der Freien Presse online veröffentlicht.
Dies ist nur ein Beispiel von zahllosen, bei denen die sich plötzlich überall Wolfsfreunde finden. Denn die Tiere sind ja so unschuldig, niedlich, friedfertig. Außerdem sind sie ja Natur. Die waren ja schon vor dem Menschen da.
Das mag so auch alles stimmen. Es gab aber eben auch gute Gründe, warum „der Mensch“ – das steht jetzt mal ganz neutral so da – Ende des 19. Jahrhunderts den Wolf aus dem von ihm genutzten Kulturraum gewaltsam entfernt hat. Denn auch damals gab es immer wieder Übergriffe von Wölfen auf Weidevieh und Haustiere. Aber noch mehr als heute hatten die Menschen eine sich steigernde Angst davor, dass der Wolf eben auch Menschen verletzen oder töten könnte. Es war fast irrational, wie groß die Angst vor dem Wolf war im Vergleich zur Angst, z.B. bei der damals höchst gefährlichen Industriearbeit in schlecht beleuchteten und gelüfteten Industriehallen dauerhafte Schäden oder gar den Tod zu erlangen.
Auch heute ist die Wahrscheinlichkeit, von einem Wolf angefallen, verletzt oder gar getötet zu werden gering, vermutlich sogar gegen Null tendierend. Der Wolf sieht im Menschen kein Opfer, weicht dem Menschen aus, sofern es geht. Erst, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlt, kann er aggressiv werden – um sich selbst, sein Rudel nebst Welpen oder sein Revier zu verteidigen.
Und doch haben viele Anwohner ein ungutes Gefühl, weil es eine Gefahr ist, die sie nicht einschätzen können. Mit den vielen tausend Toten bei Autounfällen haben wir gelernt umzugehen und zu leben. Aufklärung wird aber meist von Seiten der Tierschützer betrieben, denen glaubt niemand mehr, weil sie teils sehr militant und gleichgültig gegenüber der vor Ort lebenden Bevölkerung agieren.
Doch egal, wie man es dreht und wendet. Der Wolf ist keinesfalls ein niedliches „Spielzeug“. Der Wolf ist ein Raubtier, ein Jäger. Seine eigentliche „Aufgabe“ in der Natur wäre es, den kranken Wildbestand durch Bejagen zu dezimieren. Doch diese „Aufgabe“ hat dem Wolf keiner mitgeteilt. Wenn er auf leichte Art und Weise, ohne große Rennerei eine große Schafherde reißen kann, die nicht fliehen kann, weil sie eingezäunt ist, dann nimmt er doch lieber diese und richtet ein Blutbad an. Die betroffenen Tierhalter, können sich zwar schützen und bekommen dafür Fördermittel, jedoch nur in Höhe von 60% der für den zusätzlichen Schutz anfallenden Kosten. Und auch dann, werden die Tiere noch gerissen (Statistik dazu im Artikel aus dem letzten Jahr).
Dieses Problem kann sich dauerhaft vergrößern, wenn nämlich alle relevanten Nutztiere entsprechend geschützt sind, könnte es für den Wolf doch auf die Dauer bequemer sein, seine „Beute“ in den von Menschen bewohnten Gebieten zu suchen. In den Mülltonnen finden sich wahre Schätze. Und herumlaufende Hauskatzen würden einen kleinen Snack für zwischendurch bieten. Und was ist mit kleinen Kindern? Die wären doch auch für Wölfe eine ideale Beute? Zugegeben, ein sehr provozierendes Szenario, das Ängste weckt. Doch genau deshalb sollten wir die „Kirche im Dorf“ lassen, die Wolfspopulation beobachten, wie das das Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz auf wissenschaftlicher Basis bereits staatlich finanziert macht. Aber das ständige Geheule wegen jedem getötetem Wolf bringt uns keinen Schritt näher an eine Versachlichung der Problematik. Zuletzt wollte der Radiosender MDR1 Radio Sachsen von einer Expertenrunde wissen, ob der Wolf nach Sachen gehöre. Im Chat zur Sendung gab es große Diskussionen.
Zu einer Versachlichung sollte auch das Kontaktbüro beitragen und nicht jeden einzelnen Todesfall per Pressemitteilung sezieren. Ein quartalsweise zusammenfassender Tätigkeitsbericht, sowie die Todesfalltabelle im Internet gern zeitnah upgedated sollte ausreichen. Aufklärung und Akzeptanz in der Bevölkerung bekommt man nicht durch Dramatisierung. Das ganze Gegenteil passiert aber, weil nach jeder neuen Nachricht eines toten Wolfes Tierschützer und vermeintlich berufene Menschen gegen die bösen Menschen agitieren, aus ihrem Elfenbeinturm den Bewohnern Ignoranz vorwerfen und den vor Ort lebenden Menschen das Recht absprechen, ihren Kulturraum zu gestalten. Und natürlich provoziert das Gegenreaktionen und sorgt für eine zunehmende Blockadehaltung. So ein Geheule um den Wolf!
Die Meldungen der Tierschützer über getötete Wölfe werden dennoch weiter zunehmen, weil sich die Tiere im menschenarmen Lausitzer Seenland „pudelwohl“ fühlen. Und natürlich steigt so auch die Wahrscheinlichkeit, dass Tiere auf Straßen, Waldwegen und Schienen in Unfälle verwickelt werden und sterben. Das ist allein schon mathematisch erklärbar. Insgesamt sind seit dem Jahr 2000 im Lausitzer Revier ganze 28 Wölfe tot aufgefunden wurden. Ein großer Teil davon kam durch Unfälle ums Leben (seit dem verlinkten Bericht kamen noch zwei weitere Wölfe ums Leben).
1 Kommentar
Tolle Seite, gefaellt mir.