Gewalt: Das eigentliche Problem für Hoyerswerda

Gewalt: Das eigentliche Problem für Hoyerswerda ist nicht die Kriminalität, sondern die zu wenig verhandenen Polizeikräfte in der Stadt und der Umgebenung.

Gewalt: Das eigentliche Problem für Hoyerswerda ist nicht die Kriminalität, sondern die zu wenig verhandenen Polizeikräfte in der Stadt und der Umgebenung.

Unsere Heimstadt macht derzeit mal wieder eine Reihe unrühmlicher Schlagzeilen in den überregionalen Medien. Es geht um ein junges Paar, das von einer Gruppe, die den sogenannten „Autonomen Nationalisten Hoyerswerda“ zugerechnet werden, massiv bedroht wurde. Mehr konnte den mutmaßlichen Tätern im Prozess vor dem Amtsgericht Hoyerswerda jedenfalls nicht nachgewiesen werden. Daher fielen die Strafen auch relativ mild aus, Bewährungsstrafen für fünf Beschuldigte, weitere zwei Beschuldigte erhielten eine Jugendstrafe auf Bewährung und ein Beschuldigter verlängert seine Haftstrafe aus einer anderen Sache um weitere fünf Monate. Das ist nicht mehr als das symbolische Bekämpfen einer Symptomatik. Das eigentliche Problem sitzt viel tiefer.

Unter dem Schlagwort „Moderne Verwaltung“ wird derzeit in Sachsen eines der stärksten Sparprogramme durchgepeitscht, dass der Freistaat erlebt hat. Da der Solidarpakt der „alten“ Bundesländer mit den „neuen“ Bundesländern 2019 ausläuft – und schon jetzt im Umfang Jahr für Jahr massiv abschmilzt -, soll Geld gespart werden. Das soll besonders effektiv dadurch gehen, dass sich der Staat aus der Fläche zurück zieht. Die wichtigen Verwaltungsstrukturen wird es nur noch in größeren Städten geben, dazu eben Bürgerbüros vor Ort, die das WIchtigste regeln sollen.

Auch Hoyerswerda ist von diesem Spardiktat massiv betroffen. 138 Arbeitsplätze gehen allein durch die Strukturanpassungen in der Stadt verloren, die schon so massiv bluten musste, wie kaum eine zweite in Deutschland. Und heimlich wurde schon viel länger gespart. Zum Beispiel auch bei der Polizei. So enthüllte 2012 die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Eva Jähnigen, dass die Zahl der Polizeibediensteten in Hoyerswerda seit 2009 von 136 auf 104 zurück ging. Im Jahr 2012 wohl gemerkt. Der Trend wird sich vermutlich verstärkt haben. Die Folge: Im Notfall ist nicht ausreichend Polizei da und das haben schon sehr viele Menschen merken müssen. Es ist eine Situation, wie in den frühen Neunzigerjahren, als Hoyerswerda einer der Kriminalitätsschwerpunkte in Sachsen war, eben weil von einem Tag auf den anderen nicht nur der Respekt vor der Polizei abhanden gekommen war und die Justiz nicht einmal ansatzweise funktionierte, sondern weil alle Polizisten auf der Abschussliste standen, keiner wusste, ob er in den Polizeidienst des Freistaates übernommen würde  oder doch als zu „belastet“ gelten würde. Außerdem nahm auch da schon die Personalstärke merklich ab. Zu Diskoschlägereien kam die Polizei oft gar nicht oder mindestens zwei Stunden nach Alarmierung – dem Anrufer wurde dann mitgeteilt, dass keine Streifenwagen verfügbar wären.

So sieht es heute erst recht aus! Der Einsatzbereich des Polizeirevieres umfasst schlappe 720 Quadratkilometer. Dazu zählen die Gemeinden Bernsdorf, Elsterheide, Königswartha, Lauta, Lohsa, Spreetal, Wittichenau und Hoyerswerda natürlich. Geht man auch weiterhin von zirka 100 Polizeibediensteten aus, müssen schon einmal die drei Bürgerpolizisten in Hoyerswerda abgerechnet werden, ebenso die sechs Bürgerpolizisten in dem Umlandgemeinden. Sie sind einfach in den Gemeinden unterwegs, meist ohne Einsatzfahrzeug und das auch nur innerhalb der üblichen Dienstzeiten zwischen 6.30 und 19.00 Uhr. Dann haben wir in Hoyerswerda noch die Kriminalaußenstelle KAST, die ebenfalls zirka 10 Bedienstete haben wird (je nach Lage), die im Schichtsystem verteilt, Dienst tun. Das Schichtsystem ist nämlich das nächste Problem: Denn nun verbleiben noch zirka 80 Polizeibedienstete. Das hört sich für eine Stadt wie Hoyerswerda plus Umland noch sehr gut an. Doch, da die Polizisten ja den gesamten Tag über verfügbar sein müssen, wird im Schichtsystem gearbeitet. In der Regel ist hier ein 4-Schicht-System an der Tagesordnung. Ob das auch wirklich stimmt, wollte die Polizei nicht bestätigen. Damit blieben dennoch immerhin 20 Polizisten für eine Schicht übrig, das wäre richtig üppig!

Doch die Aussagen der Polizisten beim Prozess vor dem Amtsgericht gestern, sprechen eine deutlich andere Sprache:

Angesprochen auf das scheinbar zaghafte Vorgehen berichtete Einsatzleiter B., es gebe eine Mindestbesetzung der Polizei in Hoyerswerda, die nicht unterschritten werden dürfe. Fünf Beamte seien an jenem Abend zum Einsatzort gekommen, eine weitere Polizistin sei in der Zentrale geblieben – mehr hatten die Ordnungshüter in der Stadt mit knapp 40.000 Einwohnern an diesem Abend nicht zuzusetzen.

Demnach waren an besagtem Abend nur sechs Polizisten für den gesamten Schutzbereich des Polizeireviers Hoyerswerda im Einsatz. Das ist der Offenbarungseid des Rechtsstaats! Denn natürlich ist doch nachvollziehbar, dass zwei Polizisten nicht eingreifen werden. Und wenn sie dann mit fünf Mann gegen eine Gruppe von vielleicht 15 oder mehr offensichtlich enthemmten (Alkohol) Personen stehen, können sie vielleicht drei oder vier mitnehmen aus das Polizeirevier. Und dann? Es hat in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen nicht nur einmal den Versuch der Gefangenenbefreiung gegeben, wie das Gesatzbuch diesen Straftatbestand nennt. Und in einem solchen Fall hätte dann die verbliebene Polizistin sich eingeschlossen im Revier und zu Gott gebetet, dass doch mal Verstärkung aus dem jeweils eine Stunde entfernten Dresden oder Bautzen hereingeschwebt kommen möge?

Die Grundfrage muss als sein: Wie weit darf sich der Staat noch zurück ziehen? Wie viel Polizei braucht der Bürger? Wie viel Polizei hat der Bürger tatsächlich? Im Jahr 2012 lebten allein in den genannten Gemeinden, die das Polizeirevier Hoyerswerda abdeckt, mehr als 66.000 Einwohner. Rechnet man nun also 104 Polizisten auf 60.000 Einwohner, ergibt sich ein Schnitt von zirka 1 Polizist auf 635 Einwohner.

Der Bundesschnitt liegt bei 1 Polizeibedienster pro 370 Einwohner. Da könnte man auf die Idee kommen, dass Hoyerswerda auch generell zu wenig Polizisten hat.

Achso, was sagt eigentlich die Polizei offiziell dazu? Wir haben nachgefragt und äääh, na Dingens … äääh … Antwort oder so erhalten:

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir keinerlei Aussage zur Personalstärke einzelner Teileinheiten im Polizeirevier Hoyerswerda treffen. Die Polizei ist auch im Raum Hoyerswerda jederzeit lage- und auftragsangepasst präsent.

Da sich die Sächsische Polizei derzeit in einem Reformprozess befindet, sind Aussagen zur momentanen Personalstärke in einer Dienststelle wenig zielführend und vergleichbar. Dieser Prozess dauert noch an und unterliegt einer ständigen Überprüfung.

Das eigentliche Problem in Hoyerswerda (und vielen anderen Regionen) ist der zunehmende Rückzug des Staates und der Staatsgewalt aus der Fläche des Landes. Wo nicht innerhalb vertretbarer Zeiträume wenigstens mal ein 20 Mann starker Einsatztrupp zur Verfügung stehen kann, werden sich 6 Mann einer Nachtschicht nicht unnötig in Gefahr begeben. Und wenn doch Verstärkung da ist, halten sich die hemischen Polizisten zurück, weil man sich in Hoyerswerda ja doch immer und immer wieder trifft und ob dann Verstärkung kommt und wie lange das dann dauert?

Nicht wenige Polizisten in Sachsen sollen das Sparporgramm hinter vorgehaltener Hand schon „Mordende Verwaltung“ nennen…

 

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